Einem Bericht von n-tv.de nach, fordert die Bundesärztekammer ein Verbot für Alkohol.


Quelle: Alkoholwerbung erhöht Risiko für Sucht


Was steckt dahinter und kann ich mich dieser Forderung als Arzt anschliessen?

Laut dem Bericht sind in Deutschland 1,8 Mio. Menschen zwischen dem 18 und 64 Lebensjahr alkoholabhängig. Knapp 8,0 Mio. Menschen sollen ein riskantes Trinkverhalten aufweisen.
Vor allem Jugendliche sollen vor den Folgen des Alkoholkonsums durch ein entsprechendes Werbeverbot geschützt werden. Dabei ist es heute schon nicht mehr erlaubt im Kino vor 18.00 Uhr für alkoholische Getränke zu werden und Jugendliche dürfen in entsprechende Werbekampagnen überhaupt nicht eingebunden werden.  Dennoch sollen Jugendliche angeblich durch die vorhandene Werbung stark beeinflusst werden. Es würde, so die Kritikpunkte an der Alkoholwerbung, generell suggeriert werden, dass Alkohol zu einem leichten, entspannten Leben dazugehört, so der n-tv Bericht.

Neben einem Werbeverbot wird auch immer wieder, so auch in diesem Bericht, eine deutliche Preiserhöhung von alkoholischen Getränken als Mittel, um den Alkoholkonsum zu reduzieren, angeführt. Aber funktioniert das?
In Deutschland kostet ein Bier, je nach Region, im Durchschnitt etwa 4,50 Euro (Bier-Hauptstädte: Wo in Deutschland ist das Gebräu günstig?) In Norwegen hingegen kostet ein Bier im Schnitt etwa 10 Euro (So teuer ist Norwegen wirklich). Norwegen sei nur stellvertretend für die skandinavischen Länder aufgeführt, da hier überall in etwa dieselben preislichen Verhältnisse bestehen. Allerdings wird in Norwegen von allen skandinavischen Ländern am wenigsten Alkohol konsumiert und ist somit ein “harter” Vergleich zu den diskutieren Maßnahmen. In Schweden und vor allem Dänemark wird deutlich mehr Alkohol konsumiert, was im Fall von Dänemark möglicherweise an der Nähe zu Deutschland, zumindest in Süddänemark, liegen mag. Zurück zu Norwegen, wo das Bier somit gut 2,5mal so teuer wie in Deutschland ist. Würde sich der Preis 1:1 auf die konsumierte Menge auswirken, müßte der Verbrauch in Deutschland 2,5mal höher als in Norwegen sein.
In Norwegen werden pro Kopf und Jahr etwa 6,8 Liter Alkohol pro Jahr konsumiert, in Deutschland sind es etwa 10,0 Liter (Norwegen will Alkoholkonsum bis 2025 um zehn Prozent senken). Wäre der Preis ein wesentliches, mit ausschlaggebendes Argument, würden bei uns, im Vergleich zu Norwegen, mehr als 15 Liter Alkohol pro Jahr und Kopf konsumiert werden müssen. Somit ist der Preis, nicht überraschend, bei etwas das als Suchtmittel missbraucht werden kann, ein allenfalls untergeordneter Faktor, der auf den Konsum nur einen geringen Einfluss hat.
In Norwegen gibt es keine Werbung für Alkohol mehr. Dennoch liegt Norwegen beim weltweiten Alkoholkonsum auf Platz 80 von 189, Deutschland auf Platz 5 von 189 (Liste der Länder nach Alkoholkonsum).
Somit scheint der Preis keinen wesentlichen Einfluss auf die absolute Menge zu entfalten, ein Werbeverbot jedoch einen wesentlichen Effekt auf die Platzierung insgesamt auszumachen.

Aber rechtfertigt das ein Werbeverbot für Alkohol auch bei uns?

Ein weiteres Argument, dass in dem n-tv Bericht für ein Werbeverbot für Alkohol von der Bundesärztekammer angeführt wird, sind die jährlichen Krankheitskosten der 74.000 Alkoholtoten in Höhe von 57 Mrd. Euro (natürlich bevor sie gestorben sind).
Eine wirtschaftliche Betrachtung in der Medizin und grundsätzlich dem Sozialwesen ist zwar zulässig, aber immer sehr schwierig. Denn man könnte auch andersherum argumentieren. Die meisten, die Alkohol in dem Ausmaß konsumieren, dass sie daran schlussendlich versterben, versterben in aller Regel vor erreichen des Rentenalters. Würden alle diese 74.000 Menschen jährlich das Rentenalter erreichen, müßten hier innerhalb von 10 Jahren 740.000 zusätzliche Rentenempfänger Rente erhalten. Kann unser Rentensystem das überhaupt leisten?
Sie sehen, wirtschaftliche Berechnungen in Sozialsystemen sind stets mit großem Bedacht vorzunehmen.

Hingegen stellt sich eine ganz andere Frage. Wieso soll die Werbung für Alkohol verboten werden? Ist das nicht wieder einmal, so wie in den letzten Jahren bereits en vogue geworden, nur eine weitere Maßnahme für das betreute Denken geworden? Sollten wir nicht viel mehr anfangen mehr in die Aufklärung und Selbstverantwortung zu stecken, als immer mehr hin zum betreuten Denken á la: “Du darfst das und das nicht machen und dieses oder jenes ist gerne gesehen und deshalb mußt du es tun.”?

Ich empfinde es als pure Augenwischerei, so etwas zu fordern und möchte nicht, dass man uns weiter betreut und wir uns zu immer unselbständigeren, unmündigeren Bürgern entwickeln, insbesondere auch gerade dann nicht, wenn die Bundesregierung eben gerade erst Cannabis, ein nicht zu unterschätzendes Suchtmittel, in gewissen Grenzen legalisiert hat (Eigenanbau und Modellversuch – Bundesregierung einigt sich auf Eckpunkte zu Cannabis). Wer an dieser Stelle anführen mag, dass dadurch aber der Schwarzmarkt in einem gewissen Umfang zurückgedrängt wird, der mag durchaus Recht behalten. Allerdings warne ich an dieser Stelle an strikte finanzielle Argumentationen im Sozialwesen! Das kann, wie oben aufgeführt, auch ungut ausgehen.

Warum eigentlich fordert die Bundesärztekammer nur ein Verbot für Alkohol? Weil es das Suchtrisiko erhöht, angeblich. Stellt das das größte Problem in unserer Gesellschaft dar? Nun: “Millionen Menschen leiden an Übergewicht und Adipositas. Die Belastung für das Gesundheitswesen sind sehr groß, wobei man die Krankheitskosten eher unterschätzt.“. Die Universität Hamburg schätzt die Gesamtkosten der Adipositas in Deutschland auf 63 Mrd. Euro.  

Bekanntermaßen ist Adipositas mit einer der Hauptrisikofaktoren für die Entwicklung eines Diabetes, der wiederum mit einer der Hauptursachen für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung (Bluthochdruck, Herzinfarkt, Schlaganfall) darstellt. Sieht man sich die offiziellen Todesstatistiken an, so steht der Tod durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen nach wie vor an erster Stelle. Die Folgen des Alkoholkonsums können zu entsprechenden Erkrankungen der Verdauungsorgane (Leberzirrhose) mit der Folge von einem Leberversagen oder Leberkrebs führen. Die Krankheiten des Verdauungssystems sind jedoch weit abgeschlagen an sechster Stelle zu finden. Unter den an zweiter Stelle rangierenden bösartigen Neubildung spielt die Entwicklung eines Leberkrebs keine wesentliche Rolle, da es sich hierbei um eine sehr seltene Erkrankung (5 von 100.000)  handelt.

Ein wunderbar aktuelles Beispiel, wo zumindest leichtes Übergewicht toleriert wird und keiner davon spricht, dass durch entsprechende Werbung das Risiko für eine Adipositas erhöht werden würde, ist die Calcezonia Werbung. Möglicherweise mag man hier argumentieren und das stimmt sogar medizinisch auch noch, das leichtes Übergewicht gar nicht so schädlich ist. Stimmt. Aber leichter Alkoholgenusses ist auch nicht schädlich. Wenn jemand jedoch leichtes Übergewicht hat, hat er dann nicht auch per se einen Hang eher weniger auf seinen Körper zu achten und möglicherweise zukünftig langsam immer übergewichtiger und dann doch plötzlich adipös zu werden?


Quelle: Calzedonia


Quelle: Fashionnetwork

 

Zwei absolut attraktive Frauen, zweifelsohne. Aber eine von beiden eben leicht übergewichtig oder zumindest an der Grenze dazu. Selbstverständlich ist die linke Frau nicht adipös, davon ist sie extrem weit entfernt. Aber haben Sie schonmal Alkoholwerbung gesehen? Die dort abgebildeten Models sowohl auf den Plakaten als auch in den Kinospots sind allesamt weit weg vom Vollsuff. Dennoch, durch das Werbeverbot beim Alkohol wird suggeriert, ein bisschen wäre schon zu viel. Wieso ist ein bisschen Übergewicht nicht auch schon zu viel und nicht, so wie beim Alkohol vermeintlich unterstellt, die Vorstufe zur Adipositas mit ihren ganzen Konsequenzen?

Und Calzedonia ist da mit den Werbemodels noch weit weg von dem, womit Tommy Hilfiger wirbt.


Quelle: Tommy Hilfiger

 

Nein, ich bin absolut gegen ein generelles Werbeverbot für Alkohol. So wie auch bei zuckerhaltigen Nahrungsmitteln, bei denen bereits auf den Kinderkanälen im Fernsehen fleissig geworben wird und dann noch suggeriert wird, diese seien gesund. Was für eine absolut falsche Information! Grundsätzlich sollte Aufklärung und Information an erster Stelle stehen und nicht einseitige Bevormundung und betreutes Denken in den Vordergrund rutschen.

Kein Werbeverbot für alkoholische Getränke!