Wiederholt wurde ich nunmehr, ausgehend von Berichten in der Laienpresse, daraufhin angesprochen, weshalb ich hier entsprechend über die Tatsachen informieren möchte.

Schützt die Impfung gegen Gürtelrose vor Demenz?

Achtung Spoiler: Nein! Das tut sie nicht.

Wenn Sie es nicht schon getan haben, dann googeln sie einmal nach „Gürtelrose Impfung Demenz“. Im günstigsten Fall erhalten Sie allenfalls eine wage, durch den Konjunktiv versehene Aussage, die nichts genaues impliziert.

 


Quelle: SWR

 

Hier ist wenigstens, was bereits auch absolut falsch ist, davon geschrieben, dass die Impfung das Risiko an Demenz zu erkranken, senken könnte.
Schlimmer hingegen ist jedoch das, was Sie überwiegend finden werden, die nicht zutreffende Aussage, dass die Impfungen gegen Gürtelrose vor Demenz schützt.


Quelle: DW

 

Hier ist wenigstens noch der Hinweis zu finden, dass es nur bei Frauen einen Schutz zu scheinen gibt.
Schlimmer ist der grundsätzliche Unsinn des Schutzes vor Demenz, verursacht durch eine Gürtelrosenimpfung.

 


Quelle: GEO

 

Weder ist die Studie wegweisend noch läßt sich aus ihr ein genereller Schutz vor Demenz ableiten Die Studie ist einfach nur schlecht gemacht und entspricht nicht einmal im Ansatz einer validen, evidenzbasierten Untersuchung.

Noch schlimmer ist dann gar die abstruse Aussage, dass die Zosterimpfung gleich das ganze Gehirn schützen würde. Eigentlich kann es sich hierbei, für den versierten Mediziner und den aufgeklärten Laien, um nicht mehr als eine humoristische Aussage handeln.

 


Quelle: apotheken.de

 

Wenn Ihnen auf der Baustelle ein Backstein auf den Kopf fällt oder sie einen Motorrad-/Fahrradverkehrsunfall ohne Helm erleiden, kann das schlimme Folgen für Ihr Gehirn haben, vor der Sie keine Impfung dieser Welt (und erst Recht nicht die Impfung vor der Gürtelrose) schützen kann. Oder ist der Schlaganfall lediglich durch eine (bzw. in diesem Fall) zwei simple Impfungen passé? Dann her damit!!!

Wie aber soll die Laienpresse, in der nun überhaupt keine medizinisch gebildeten Personen Artikel schreiben, verstehen worum es eigentlich geht, wenn selbst die Fachpresse überhaupt nicht mehr versteht, was sie eigentlich schreibt.

 


Quelle: Hausärztliche Praxis

 

Die Zeitschrift „Hausärztliche Privatpraxis“ schreibt, dass die Lebendimpfstoffe das Demenzrisiko vermindern könnten. Darum geht es aber in der zweiten von der „Hausärztlichen Privatpraxis“ verlinkten Untersuchung überhaupt nicht. In dieser geht es um die Todimpfstoffe. Hingegen schreibt die erste von der Zeitschrift angegebene Untersuchung nur folgendes:

„Here we aim to determine the effect of live-attenuated herpes zoster vaccination on the occurrence of dementia diagnoses.“

Ins Deutsche übersetzt möchte die Untersuchung also folgendes bestimmen:

„Hier wollen wir die Wirkung einer lebend abgeschwächten Herpes-Zoster-Impfung auf das Auftreten von Demenzdiagnosen bestimmen.“

Es geht also nicht darum, das Risiko des Auftretens einer Demenz durch die Impfung zu untersuchen sondern nur lediglich darum, die Diagnose einer Demenz durch die Impfung zu untersuchen.
Sie werfen eventuell berechtigterweise ein, dass dieses doch dasselbe sei. Das dürfen Sie. Ein Wissenschaftlich, der publiziert, sollte dieses jedoch nicht. Zwischen dem Risiko des Auftretens von etwas und der Diagnosestellung von etwas ist ein kleiner aber bedeutender Unterschied. Das Risiko einer bestimmten Erkrankung mag etwas erhöht erscheinen (Laienwahrnehmung) und entspricht somit der Korrelation. So wie beschrieben stehen jedoch kausale Ursachen im Vordergrund.
Dieses ist beispielsweise durch doppelblind-randomisierte Untersuchungen herauszufinden. Bei der aufgeführten Untersuchung handelt es sich jedoch „lediglich“ um die Auswertung vorliegender Daten.

„Um kausale im Gegensatz zu korrelalen Beweisen zu liefern, nutzen wir die Tatsache, dass in Wales die Berechtigung für den Zoster-Impfstoff auf der Grundlage des genauen Geburtsdatums einer Person bestimmt wurde.“

Das ist weit weg von einer doppelblind randomisierten Untersuchung sondern eine retrospektive Betrachtung.
Verstehen Sie mich nicht falsch. Retrospektive Untersuchungen sind spannend und sollten stets die Voraussetzung für doppelblind randomisierte Studien, die dann als evidenzbasierten gelten. Eine verlässliche Aussage derart, dass etwas für etwas verantwortlich wäre, ist jedoch hierdurch nicht ableitbar.

Andererseits, was soll man davon halten, wenn selbst die Originalpublikation in der Überschrift diesen Unsinn verbreitet?

 


Quelle: Nature

 

Da gerade Ostern ist, ein kleines Suchspiel für Sie. Finden Sie in der verlinkten Originalpublikation die Aussage, aus derer die Überschrift  „Die rekombinante Gürtelroseimpfung ist mit einem niedrigeren Demenzrisiko assoziiert.“ valide ableitbar wäre. Seien Sie nicht traurig, dieses Osterei können Sie nicht finden.
Wenn Sie jedoch die Zusammenfassung der Originalveröffentlichung lesen, fällt Ihnen möglicherweise bereits im ersten (!) Satz auf, dass es dort heisst: … vaccine might protect against dementia.“ Das ist zwar auf die, nicht mehr vorhandene Lebensimpfung bezogen, ist aber auch hier blanker Unsinn. Wenn Sie dann weiterlesen, erlangen Sie die folgende Erkenntnis:

„Specifically, receiving the recombinant vaccine is associated with a 17% increase in diagnosis-free time, translating into 164 additional days lived without a diagnosis of dementia.“

Das ist aber etwas GANZ anderes, als das, was aktuell immer behauptet wird. Übersetzt steht da nämlich konkret folgendes:

„Insbesondere ist die Behandlung mit dem rekombinanten Impfstoff mit einer 17%igen Verlängerung der diagnosefreien Zeit verbunden, was 164 zusätzlichen Tagen ohne Demenzdiagnose entspricht.“

Das ist ja mal etwas ganz anderes als Schutz vor Demenz – oder gleich dem Schutz des gesamten Gehirns.
Die Diagnose wird lediglich 164 Tage später gestellt. Eine Demenz können Sie dennoch bekommen und sind mitnichten davor geschützt!
Diese Aussage führt dann gleich zu mehreren Fragen, die sich aufgrund der Publikation überhaupt nicht beantworten lassen und möglicherweise auch gar nicht untersucht wurden, weil darauf überhaupt kein Bezug genommen wird.

1.) Wie wurde die Diagnose in den beiden Gruppen gestellt? Wurden jeweils dieselben Testverfahren eingesetzt oder wurden unterschiedliche Testvorlagen verwendet? Wie geschult waren die Test im Umgang mit den Testverfahren? Gab es einheitliche Schulungen oder hat jeder Tester den Test so durchgeführt, wie er ihn für Richtig hält? Denn möglicherweise wären bereits damit die Unterschiede schon erklärt.

2.) Wie war die Altersverteilung und die Risikoverteilung in den beiden untersuchten Gruppen? Demenz ist eine mit dem Alter und dem Alkoholkonsum während der Lebenszeit assoziierten Erkrankung. Gab es da möglicherweise Unterschiede? Und schon wieder wären damit die Unterschiede erklärt.

Sie sehen also: Insgesamt kein Schutz vor Demenz nachweisbar, eigentlich nur heiße und ganz sicher nicht den evidenzbasierten Kriterien standhaltende Aussagen.

 

Weitere Informationen auch zu der Untersuchung erhalten Sie unter diesem Link.