Was die Fragestellung ist

Sowohl auf Tic Toc (1, 2, 3) als auch von mindestens einer Pharmafirma (4) selbst wird propagiert, dass es wichtig und notwendig sei, seinen Lipoprotein(a) Wert bestimmen zu lassen. Ist dieses tatsächlich notwendig und vor allem, ist dieser Wert aussagekräftig, sollte man ihn also bestimmen lassen?

 

Wofür ist Lp(a)?

Lp(a) ist, neben LDL und HDL ein Transportprotein für Cholesterin im Körper. Es ähnelt dem LDL-Cholesterin als Transportvehikel für Cholesterin von der Leber zu den Körperzellen.

 

Was hat einen Einfluß auf das Lp(a)?

Das Lp(a) ist genetisch determiniert und erreicht im Alter von etwa 6 Jahren seine endgültige Ausprägung. Im weiteren Lebensverlauf kommt es nicht mehr zu relevanten Änderungen hinsichtlich der Höhe der Lp(a)-Blutwerte. Im Gegensatz zum Cholesterin (Gesamt-Cholesterin und LDL-Cholesterin) haben Ernährung und der Lebensstil keinen Einfluss auf die Höhe des Lp(a), da dieses genetisch determiniert ist.

 

Wofür ist das Lp(a) verantwortlich?

Epidemiologische und genetische Studien gehen davon aus, dass es einen Kausalzusammenhang zwischen der Höhe des Lp(a)-Blutwertes und dem Risiko von Gefäßerkrankungen gibt. Fettstoffwechselspezialisten gehen inzwischen von dieser Kausalität sogar aus.

In diesen Kreis wird davon ausgegangen, dass das Lp(a) für folgende Erkrankungen einen relevanten Faktor darstellt:

  • Herzinfarkt
  • Aortenklappenverkalkungen und -verengungen

sowie weiterhin, in abnehmender Reihenfolge, für

  • periphere Gefäßleiden
  • Herzmuskelschwäche
  • Schlaganfälle
  • Todesfälle, bedingt durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Im Schreiben der Pharmafirma (4) wird sogar angegeben, dass durch das Lp(a) eine um den Faktor 6 höhere Arterienverkalkung vorliegen würde. Hierbei handelt es sich jedoch nur um eine Laborstudie (5) und keine real life Studie. Die Studienautoren stellen fest, dass zwar das Herz-Kreislauf-Erkrankungsrisiko durch Lp(a) über dem des LDL-Cholesterins liegt, jedoch Lp(a) in einer nur sehr geringen Konzentration vorkommt. Daher ist die tatsächliche Risikoausprägung in der Klinik fraglich.

 

Wie sind die Lp(a)-Werte im Idealfall?

Es gibt keine objektiven, evidenzbasierten Kriterien für die Höhe eines normalen bzw. zu hohen Lp(a)-Wertes. Aus Ermangelung dieser objektiven Kriterien wird lediglich ein pragmatisches Vorgehen (6) vorgeschlagen, welches jedoch keinerlei Objektivitäten aufweist.

Hierbei werden Werte <30 mg/dl (<75 nmol/l) als Wert aufgefasst, bei dem kein relevantes Arterioskleroserisiko vorliegt. Bei Werten >50 mg/dl (>125 nmol/l) wird von einem erhöhten Risiko für eine Arteriosklerose ausgegangen. Im Bereich dazwischen sollen Lp(a)-Werte dann zu einem erhöhten Risko beitragen, wenn weitere Risikofaktoren vorliegen.

Die Deutsche Gesellschaft für Arterioskleroseforschung e. V. (7) schlägt vor, dass einmal im Leben eine Lp(a) Bestimmung erfolgen soll.

 

Was für Empfehlungen gibt es?

Neben den bereits ausgeführten Empfehlungen durch Influencer oder Pharmafirmen, die bereits Präparate zur Senkungen des Lp(a)-Wertes in der Pipeline haben, gibt es Leitlinienempfehlungen zur Bestimmung von Lp(a).

Als erstes ist hier die kanadische Leitlinie (8) zu nennen, die eine starke Empfehlung für eine entsprechende Bestimmung gibt. Deutlich zurückhaltender formuliert die Leitlinie der europäischen Arteriosklerosegesellschaft (9) die Notwendigkeit zur Bestimmung des Lp(a)-Wertes. Hiernach sollen nur bei Personen mit einem sehr hohen Risiko (Lp(a)-Werte >180 mg/dl bzw. 430 nmol/l) Lp(a)-Werte bestimmt werden. Keine Empfehlung für eine Lp(a)-Wertbestimmung findet sich in der europäischen Leitlinie der Gesellschaft für Kardiologie und Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen. Ebenso hat der gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) keine diesbezügliche Empfehlung in seiner Richtlinie für Gesundheitsuntersuchungen (11) aufgenommen.

 

Was bringt eine Absenkung des Lp(a)?

Es gibt keine Untersuchungen, die den Effekt auf das Herz-Kreislaufrisiko aufzeigen, indem der Lp(a)-Wert medikamentös gesenkt wird. Daher können hierzu keine verlässlichen Aussagen getroffen werden.

Bei sehr hohen Lp(a)-Werten bringt nur die Lipidapherese eine Senkung des Lp(a)-Wertes um bis zu 60%. Die Lipidapherese entzieht dem Blut das Fett, ähnliche einer Hämodialyse im Rahmen der Nierenersatztherapie, die dem Blut die Giftstoffe entzieht.

Zwar wurde die Wirksamkeit der Lipidapherese auch nicht in randomisierten Outcome-Studien nachgewiesen, d. h. eine Risikoreduktion von Herz-Kreislauferkrankungen durch die Senkung des Lp(a)-Wertes mittels Lipidapherese wurde bisher nicht nachgewiesen, dennoch gilt dieses Vorgehen derzeit als der Goldstandard bei sehr hohen Lp(a)- und Cholesterinwerten.

 

 

Viele der auf Tic Toc verbreiteten Empfehlungen für die Bestimmung von Lp(a) erfolgt von Influencern, die kein medizinisches Wissen besitzen, noch nicht einmal aus dem Bereich der Medizin kommen.

Neben fehlendem Wissen finden sich auf Tic Toc auch Empfehlungen aus Zentren oder Einrichtungen, die mit Gefäßchirurgie, Kardiologie, Allgemeinmedizin nichts zu tun haben und aus dem Bereich der ästhetischen Chirurgie kommen. Diese Einrichtungen beschäftigen sich mit einem gänzlich anderen Fachbereich und das Wissen über Lp(a) ist damit zumindest fragwürdig.

Lp(a) konnte in einer Laborstudie theoretisch ein 6-fach höheres Risiko für die Entwicklung einer Herz-Kreislauf-Erkrankung aufzeigen. Allerdings ist der Anteil des Lp(a) an den gesamten Transportvehikeln für den Cholesterintransport im Körper so gering, dass diese in der Praxis an Bedeutung verliert.

Für Lp(a) wurden bisher keine verlässlichen Normwerte aus evidenzbasierten Studien publiziert, so dass es keine gesicherten Erkenntnisse darüber gibt, ab wann dieser Wert zu hoch sein könnte.

Der Vorschlag der Deutschen Gesellschaft für Arterioskleroseforschung e. V., mindestens einmal im Leben den Lp(a)-Wert bestimmten zu lassen, ist nicht nachvollziehbar, wenn dieser, wie bekannt, genetisch determiniert ist und um das 6. Lebensjahr herum seine maximale Konzentration erfährt. Hier wäre ab diesem Zeitpunkt eine einmalige Bestimmung als absolut ausreichend anzusehen.

Insgesamt ist die Aussagekraft des Lp(a)-Wertes auf eine Fettstoffwechseltherapie, z. B. mittels Statinen, als fraglich zu bewerten. Nur bei einem sehr hohen Risiko für ein arteriosklerotisches Ereignis, nachgewiesen durch eine familiäre Fettstoffwechselstörung, unklare Schlaganfälle, die auf einer Minderdurchblutung in jungen Jahren beruhen oder wenn bei erstgradigen Verwandten vorzeitige Gefäßerkrankungen oder hohe Lp(a)-Werte bekannt sind, könnte die Lp(a)-Bestimmung einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn bringen.

Die Empfehlungen zur Lp(a)-Werte sind in den unterschiedlichen Leitlinien weltweit sehr unterschiedlich.

Die Effekte einer medikamentösen Senkung des Lp(a)-Wertes auf das Herz-Kreislaufrisiko können nicht benannt werden, da es keine diesbezüglichen Studien gibt. Bei sehr hohen Lp(a)-Werten bringt nur die sogenannte Lipidapherese, ähnlich einer Hämodialyse, einen entscheidenden Effekt auf die Senkung des Lp(a)-Wertes.

 

 

Quellenangaben:

(1) https://www.tiktok.com/discover/lipoprotein-a

(2) https://www.tiktok.com/@praxis.aspectum.berlin/video/7512509409637960962

(3) https://www.tiktok.com/@jonas.koeller/video/7443886758321769750

(4) https://www.novartis.com/de-de/geschichten/ein-bedeutender-risikofaktor-fuer-das-herz

(5) https://www.jacc.org/doi/epdf/10.1016/j.jacc.2023.10.039

(6) https://academic.oup.com/eurheartj/article/43/39/3925/6670882?login=false

(7) https://www.dgaf.de

(8) ca/article/S0828-282X(21)00165-3/fulltext

(9) https://academic.oup.com/eurheartj/article/41/1/111/5556353?login=false#google_vignette

(10) https://academic.oup.com/eurheartj/article/42/34/3227/6358713

(11) http://a-turl.de/qgcd

 

Der nächste Beitrag erscheint am 15. August. Er beschäftigt sich mit dem Darmkrebsscreening mittels Stuhltest oder Darmspiegelung